Köln. Seit dem 1. August 2010 gelten auch für die Pflegebranche gesetzliche Mindestlöhne. Der Mindestlohn beträgt 8,50 € je Stunde in den alten und 7,50 € je Stunde in den neuen Bundesländern. Der Anwendungsbereich der Pflegearbeitsbedingungenverordnung (PflegeArbbV) vom 15. Juli 2010 betrifft aber nur einen Teil der in der Pflegebranche beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Für die Geltung des Pflege-Mindestlohns kommt es stark auf die tatsächlichen Verhältnisse in dem betroffenen Betrieb und die Arbeitsinhalte an. Ein erstes Fazit von HILLE BEDEN Rechtsanwälte lautet deshalb: „Durch organisatorische Gestaltung kann die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns vermieden bzw. eingeschränkt werden."
Gestaltungsmöglichkeiten beim Pflege-Mindestlohn
Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Pflege-Mindestlohnverordnung mit dem monströsen Namen „Pflegearbeitsbedingungenverordnung" ist das Arbeitnehmerentsendegesetz. Seit der Neufassung vom 20. April 2009 enthält das Arbeitnehmerentsendegesetz einen Abschnitt 4 "Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche". Nach der gesetzlichen Definition umfasst die Pflegebranche "Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen, die überwiegend ambulante, teilstationäre oder stationäre Pflegeleistungen oder ambulante Krankenpflegeleistungen für Pflegebedürftige erbringen (Pflegebetriebe)".
Das Gesetz nennt als Bezugspunkt für die Definition des betrieblichen Geltungsbereichs den Betrieb und die selbstständige Betriebsabteilung. Dies hat praktische Bedeutung für Betriebe, die sich auf mehreren Gebieten betätigen. Voraussetzung für die Qualifikation des gesamten Betriebes als "Pflegebetrieb" im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 2 AEntG ist, dass die Pflegeleistungen den überwiegenden Teil der Betriebstätigkeit ausmachen. Bei einem Mehrspartenbetrieb könnte dies dazu führen, dass der Betrieb nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes fällt, obwohl er in erheblichem Umfange Pflegeleistungen erbringt.
Dieser Konstellation trägt die gesetzliche Regelung dadurch Rechnung, dass es ausreicht, wenn Pflegeleistungen den überwiegenden Inhalt der Tätigkeit einer selbstständigen Betriebsabteilung ausmachen. Dann fällt nicht der gesamte Betrieb, sondern diese selbstständige Betriebsabteilung in den betrieblichen Anwendungsbereich des Gesetzes.
Das AEntG enthält keine eigenständige Definition der selbstständigen Betriebsabteilung. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Betriebsabteilung "nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein räumlich, personell und organisatorisch vom Gesamtbetrieb abgegrenzter Betriebsteil, der mit eigenen technischen Betriebsmitteln einen eigenen Betriebszweck verfolgt, der auch nur ein Hilfszweck sein kann." Das zusätzliche Merkmal der Selbstständigkeit erfordert nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine auch für Außenstehende wahrnehmbare räumliche und organisatorische Abgrenzung sowie einen besonders ausgeprägten spezifischen arbeitstechnischen Zweck. Durch organisatorische Maßnahmen kann das Unternehmen eine selbstständige Betriebsabteilung schaffen oder vermeiden.
Die Bundesministerin für Arbeit hat bei dem Erlass der Verordnung die gesetzliche Ermächtigung nicht voll ausgeschöpft. Gegenüber der Definition im Arbeitnehmerentsendegesetz wird der betriebliche Anwendungsbereich der Pflegearbeitsbedingungenverordnung dadurch eingeschränkt, dass die Verordnung nicht für Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen gilt, die überwiegend ambulante Krankenpflegeleistungen für Pflegebedürftige erbringen. Auch daraus ergeben sich Gestaltungsmöglichkeiten.
Pflege-Mindestlohn nur für einen Teil der Pflegekräfte
Um in den Genuss des Pflege-Mindestlohns zu gelangen, muss eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer nicht nur in einem Pflegebetrieb im Sinne der Verordnung arbeiten, sondern zusätzlich „überwiegend pflegerische Tätigkeiten in der Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 SGB XI erbringen". Wer überwiegend Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung erbringt, hat keinen Anspruch auf den Pflegemindestlohn. Dadurch ergeben sich für die Arbeitgeberseite ebenfalls Gestaltungsmöglichkeiten, um die Geltung des Mindestlohns zu vermeiden.