Sekretariat
Gabriele Finster
Die Problematik des Annahmeverzugslohns entsteht insbesondere bei Kündigungsschutzverfahren. Mit Ausspruch der Kündigung signalisiert der Arbeitgeber, dass er kein Interesse mehr an der Arbeitsleistung seines Mitarbeiters hat. Erhebt dieser Mitarbeiter eine Kündigungsschutzklage und ist er mit dieser erfolgreich, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges die Gehälter nachzuzahlen, die nach Ablauf der Kündigungsfrist aufgelaufen sind. Auf diesen Gehaltsanspruch muss sich der Mitarbeiter das anrechnen lassen, was er in dieser Zeit anderweitig erzielt hat oder böswillig unterlassen hat zu erzielen. Wie kommt aber der Arbeitgeber an diese Informationen?
Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung vom 27.05.2020, 5 AZR 387/19, entschieden, dass dem Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer ein Auskunftsanspruch über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge zusteht. Damit weicht das Bundesarbeitsgericht von seiner früheren Rechtsauffassung ab, wonach nicht einmal das Unterlassen der Meldung des Arbeitnehmers bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend das Merkmal des böswilligen Unterlassens erfüllt und den Arbeitnehmer keine Obliegenheit trifft, die Vermittlung der Bundesanstalt für Arbeit in Anspruch zu nehmen.
Der Auskunftsanspruch nach § 242 BGB setzt im Einzelnen voraus: (1) das Vorliegen einer besonderen rechtlichen Beziehung, (2) die dem Grunde nach feststehende oder (im vertraglichen Bereich) zumindest wahrscheinliche Existenz eines Leistungsanspruches des Auskunftsfordernden gegen den Anspruchsgegner, (3) die entschuldbare Ungewissheit des Auskunftsfordernden über Bestehen und Umfang seiner Rechte sowie (4) die Zumutbarkeit der Auskunftserteilung durch den Anspruchsgegner. Schließlich dürfen (5) durch die Zuerkennung des Auskunftsanspruchs die allgemeinen Beweisgrundsätze nicht unterlaufen werden.
In dem Falle, dass ein gekündigter Mitarbeiter nach gewonnenem Kündigungsschutzprozess Verzugslohnansprüche gegen seinem Arbeitgeber geltend macht, sieht das Bundesarbeitsgericht alle fünf Voraussetzungen für gegeben an. Zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter liegt ein Vertragsverhältnis vor. Es liegt auch ein dem Grunde nach bestehender Leistungsanspruch vor. Ohne eine entsprechende Auskunftserteilung kann der Arbeitgeber in seinem Recht betroffen sein, dass erzielter oder böswillig unterlassener Verdienst nicht angerechnet wird. In derartigen Fällen ist auch der Arbeitgeber in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang des erzielten oder böswillig nicht erzielten Verdienstes im Ungewissen. Die Auskunftserteilung ist dem Arbeitnehmer zumutbar, da er über diese Umstände informiert ist und insofern unschwer Auskunft erteilen kann.
Daraus folgt, dass der Mitarbeiter verpflichtet ist, dem Arbeitgeber Auskunft zu erteilen über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter erteilten Vermittlungsvorschläge unter Nennung von Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung. Diese Auskunft ist in Textform i.S.d. § 126b Satz 1 BGB zu erteilen.