Sekretariat
Sevim Bayrak
Die wirksame Einführung von Kurzarbeit bedarf stets einer Rechtsgrundlage im konkreten Arbeitsverhältnis. Sofern kein Betriebsrat vorhanden ist, mit dem eine entsprechende Betriebsvereinbarung geschlossen werden kann, kein Tarifvertrag anwendbar ist, der Regelungen zur Einführung der Kurzarbeit enthält und auch der Arbeitsvertrag keine entsprechende Regelung zur einseitigen Anordnung der Kurzarbeit durch den Arbeitgeber enthält, ist der Arbeitgeber auf die Zustimmung der betroffenen Mitarbeiter:innen zur Einführung der Kurzarbeit angewiesen. Verweigert ein/e Mitarbeiter:in seine/ihre Zustimmung, muss der Arbeitgeber ihn/sie weiter im vertraglich vereinbarten Umfang beschäftigen und vergüten.
Ein aktuelles Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22.10.2020 (AZ: 11 Ca 2950/20) bringt nun neue Hoffnung für die Arbeitgeber, deren Mitarbeiter:innen die erforderliche Zustimmung zur Einführung der Kurzarbeit nicht erteilt haben.
In dem vom Arbeitsgericht Stuttgart entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber gegenüber einer Mitarbeiterin eine außerordentliche hilfsweise ordentliche Änderungskündigung ausgesprochen. Die Kündigung enthielt das folgende Änderungsangebot:
„Der Arbeitgeber ist berechtigt, für die Zeit vom TT.MM.JJJJ bis voraussichtlich TT.MM.JJJJ Kurzarbeit anzuordnen, sofern ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht und der zuständigen Agentur für Arbeit angezeigt ist, und sämtliche weitere Voraussetzungen für einen Anspruch der Arbeitnehmerin auf Kurzarbeitergeld vorliegen (§§ 95 ff. SGB III).
Den Beginn und das Ende der Kurzarbeit sowie die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit während des Zeitraums der Kurzarbeit wird der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin unter Wahrung der Ankündigungsfrist von drei Wochen in Textform mitteilen.“
Bisher war die Frage, ob das Recht zur Einführung der Kurzarbeit durch eine Änderungskündigung hergestellt werden kann, arbeitsrechtlich weitestgehend ungeklärt. Mit seinem Urteil vom 22.10.2020 entschied das Arbeitsgericht Stuttgart, dass in der aktuellen Situation eine fristlose Änderungskündigung zur Einführung der Kurzarbeit rechtswirksam ausgesprochen werden kann. Im Einzelnen führt es folgendes aus:
„Eine fristlose Änderungskündigung mit dem Ziel, eine Einführung von Kurzarbeit zu ermöglichen, kann im Einzelfall als betriebsbedingte Änderungskündigung nach § 626 BGB gerechtfertigt sein.
Die Rechtsprechungsgrundsätze des Bundesarbeitsgerichts zur reinen Entgeltreduzierung durch Änderungskündigung sind auf eine Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit nicht übertragbar.
Für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Kündigung sind insbesondere eine entsprechende Ankündigungsfrist und eine Begrenzung der (möglichen) Kurzarbeit von Bedeutung, sowie der Umstand, dass Kurzarbeit nur dann eingeführt werden kann, wenn die entsprechenden Voraussetzungen zur Gewährung von Kurzarbeitergeld auch in der Person des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin vorliegen.“
Gegen dieses Urteil wurde keine Berufung eingelegt, so dass es zwischenzeitlich in Rechtskraft erwachsen ist.
Auch wenn es sich bei der fristlosen Änderungskündigung nicht um das einschneidenste aller Mittel – nämlich die Beendigungskündigung – handelt, ist auch sie als starker Einschnitt in das Beschäftigungsverhältnis zu werten. Zumal durch sie die Einführung der Kurzarbeit gegen den eigentlich erforderlichen Willen der Mitarbeiter:innen durchgesetzt werden kann. Andere Urteile zu dieser Thematik sind in den gängigen juristischen Datenbanken bisher nicht veröffentlicht. Auch wenn in diesem Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart ein Hoffnungsschimmer für alle betriebsratslosen und nicht tarifgebundenen Arbeitgeber zu sehen ist, besteht ein hohes Risiko, dass andere Gerichte und insbsondere das Bundesarbeitsgericht die Rechtslage anders beurteilen und eine außerordentliche oder auch ordentliche Änderungskündigung zur Einführung der Kurzarbeit auch unter den zuvor genannten Voraussetzungen als unwirksam erachten. Dann könnte ein Arbeitgeber, der keine Kurzarbeitsklausel in seine Arbeitsverträge aufgenommen hat, von den Erleichterungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld in der Corona-Pandemie nicht profitieren.
Mit dem Beginn der Corona-Pandemie haben Bundesregierung und Gesetzgeber sehr schnell reagiert und zur Abschwächung der wirtschaftlichen Einbrüche durch die Pandemie u.a. am 13. März 2020 das Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld verabschiedet. Dieses wurde zwischenzeitlich auch bis zum 31. Dezember 2021 verlängert.
Nach diesem Gesetz ist der Bezug von Kurzarbeit derzeit bereits dann möglich, wenn lediglich mindestens 10 Prozent der Beschäftigten von Arbeitsausfall betroffen sind. Sonst muss mindestens ein Drittel der Beschäftigten betroffen sein.
Zusätzlich haben auch Beschäftigte in Zeitarbeit die Möglichkeit, Kurzarbeitergeld zu beziehen. Dies war zuvor aufgrund von § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG nicht möglich.
Ein weiterer Vorteil der Corona-Sonderregelung besteht für den Arbeitgeber darin, dass ihm die auf das Kurzarbeitergeld anfallenden Sozialversicherungsbeiträge von der Bundesagentur für Arbeit vollständig erstattet werden.