Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Saarbrücken durfte sich in dem Verfahren unter dem Aktenzeichen 6 L 172/22 erstmalig mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht nach § 20a Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) auseinandersetzen. Zwei Notfallsanitäter begehrten die Feststellung der Nichtgeltung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht gemäß § 20a Abs. 1 IfSG. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO wurde jedoch vom Gericht zurückgewiesen und blieb mithin erfolglos.
Seine Entscheidung begründete das VG Saarbrücken wie folgt:
Sachverhalt
Gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 IfSG müssen Personen, die in den hier genannten Einrichtungen oder Unternehmen tätig werden, ab dem 15. März 2022 geimpft oder genesen sein. Die Vorschrift erlegte diesen Personen auf, bis spätestens zum Ablauf des 15. März 2022 der Leitung der jeweiligen Einrichtung bzw. des Unternehmens einen Impf- oder Genesenennachweis oder ein ärztliches Zeugnis über das Bestehen einer medizinischen Kontraindikation vorzulegen. Die Anforderungen, die an den Impf- oder Genesenennachweis gestellt sind, bestimmen sich nach § 2 Nr. 3 und 5 COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung in ihrer jeweils gültigen Fassung. Diese Verordnung wiederrum verweist zu Konkretisierung der Anforderungen auf die auf den Internetseiten des Paul-Ehrlich-Institutes und des Robert Koch-Institutes veröffentlichte Vorgaben.
Die Antragsteller trugen vor, die Regelung des § 20a Abs. 1 IfSG verletze das Bestimmtheitsgebot und das Gebot der Normklarheit. Darüber hinaus verstoße die Vorschrift gegen die Berufsfreiheit, die körperliche Unversehrtheit sowie den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Entscheidungsgründe
Unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Februar 2022 (Az: 1 BvR 2649/21) wies das VG Saarbrücken den Eilantrag der Notfallsanitäter zurück. Nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts stehen der Einführung einer einrichtungs- und unternehmensbezogenen Impf- und Nachweispflicht in § 20a IfSG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen. Das Bundesverfassungsgericht bekundet allerdings Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der in § 20a IfSG gewählten gesetzlichen Regelungstechnik geäußert, da sich der Gesetzgeber hier einer doppelten dynamischen Verweisung bedient, die letztlich auf Internetseiten des Paul-Ehrlich-Institutes sowie des Robert Koch-Institutes verweist. Die Klärung dieser Zweifel muss allerdings dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Hier hat der deutsche Gesetzgeber zwischenzeitlich auch nachjustiert. Am 19. März 2022 ist das „Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und anderer Vorschriften“ in Kraft getreten. In dem hiermit neu eingeführten § 22a IfSG werden der Impf- und Genesenennachweis definiert.
In der vom Gericht insoweit vorzunehmenden umfassenden Folgen- und Interessenabwägung hatte es das Interesse der Antragsteller, von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht vorläufig verschont zu bleiben und bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache weiterhin ungeimpft als Notfallsanitäter im Rettungsdienst tätig sein zu können, mit den schwerwiegenden öffentlichen und privaten Interessen an der Eindämmung des Infektionsgeschehens in den in § 20a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 IfSG benannten Einrichtungen und Unternehmen ins Verhältnis zu setzten. Hierbei kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Interessen der Antragsteller hinter die öffentlichen und privaten Interessen der Eindämmung des Infektionsgeschehens zurücktreten.
Das VG Saarbrücken führte hierzu u. a. wie folgt aus: „Die Infektionswahrscheinlichkeit insbesondere von ungeimpften Personen sei weiterhin sehr groß und damit einher gehe ein entsprechendes hohes Gefährdungspotenzial gerade für vulnerable Personen. Es bestehe nämlich eine erhöhte Gefährdung, dass die in den in § 20a Abs. 1 IfSG genannten Einrichtungen und Unternehmen tätigen Personen, sofern diese -wie die Antragsteller- nicht geimpft seien, sich mit dem Coronavirus infizieren und sie dann das Virus auf vulnerable Personen, die sich grundsätzlich nur eingeschränkt selbst gegen eine Infektion schützen könnten und die zudem auf die Inanspruchnahme der Leistungen, die die der Gesundheit und Pflege dienenden Einrichtungen und Unternehmen im Sinne des § 20a Abs. 1 IfSG erbringen würden, ganz überwiegend angewiesen seien, übertragen würden. Damit wiederum sei für vulnerable Personen, die sich grundsätzlich leichter infizierten, weil bei ihnen -auch im Falle einer Impfung- ein von vornherein reduzierter und im Laufe der Zeit schneller abnehmender Immunschutz bestehe, ein erhöhtes Risiko verbunden, schwer oder gar tödlich zu erkranken. Diesen hohen gesundheitlichen Risiken vulnerabler Personen stehe kein vergleichbar hohes Gesundheitsrisiko der Antragsteller im Falle einer Impfung gegenüber. Schwerwiegende Nebenwirkungen oder gravierende Folgen, die über die durch die Verabreichung des Impfstoffes induzierte Immunantwort hinausgingen, seien nach derzeitigem Kenntnisstand sehr selten.“ (Quelle: Pressemitteilung des VG Saarlouis v. 14.03.2022)