Erfurt. Das Bundesarbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage der Berliner Kassiererin - anders als die Vorinstanzen - stattgegeben. Eine seit 31 Jahren beschäftigte Kassiererin hatte unrechtmäßig zwei gefundene Pfandbons eingelöst und wurde daraufhin außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt. Beide Vorinstanzen hatten die fristlose Kündigung der Kassiererin ohne vorherige Abmahnung für rechtens erklärt.
Eine Revision gegen die Entscheidung hatte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg nicht zugelassen. Daraufhin hatte die Kassiererin Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht eingelegt. Mit Erfolg. Wir berichteten in unserer Ausgabe 1/2010 des Arbeitsrechtsbriefes.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte seine Entscheidung tragend darauf gestützt, dass im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung auch auf das Verhalten der Arbeitnehmerin nach der Tatbegehung abgestellt werden könne, ob sie beispielsweise die Tat einräumt, oder bei den Aufklärungsmaßnahmen des Arbeitgebers weitere Täuschungshandlungen begeht. Zu berücksichtigen war nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts, dass die Arbeitnehmerin im Rahmen der arbeitgeberseitigen Aufklärung den Sachverhalt beharrlich geleugnet hat, den Sachverhalt haltlos auf andere Mitarbeiter abzuwälzen versucht hat und sich im Prozess zum maßgeblichen Sachvortrag wahrheitswidrig eingelassen hat.
Dem hat das Bundesarbeitsgericht eine Absage erteilt. Das Prozessverhalten der Klägerin durfte nicht zu ihren Lasten gehen. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts lasse das Prozessverhalten der Klägerin keine Rückschlüsse auf eine vertragsrelevante Unzuverlässigkeit zu. Es erschöpfe sich in einer möglicherweise ungeschickten und widersprüchlichen Verteidigung, so das Bundesarbeitsgericht. Letztlich überwiege angesichts der mit einer Kündigung verbundenen schwerwiegenden Einbußen die zugunsten der Klägerin in die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkte. Dazu gehöre insbesondere die über drei Jahrzehnte ohne rechtlich relevante Störungen verlaufende Beschäftigung, durch die sich die Klägerin ein hohes Maß an Vertrauen erworben hatte. Dieses Vertrauen konnte durch den in vieler Hinsicht atypischen und einmaligen Kündigungssachverhalt nicht vollständig zerstört werden, so das Bundesarbeitsgericht. Im Rahmen der Abwägung war auch auf die vergleichsweise geringfügige wirtschaftliche Schädigung der Beklagten Bedacht zu nehmen, sodass eine Abmahnung als milderes Mittel gegenüber einer Kündigung angemessen und ausreichend gewesen wäre, um einen künftig wieder störungsfreien Verlauf des Arbeitsverhältnisses zu bewirken.
Die Entscheidung:
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.06.2010, Aktenzeichen: 2 AZR 541/09, liegt bisher lediglich als Pressemitteilung Nummer 42/10 vor, www.bundesarbeitsgericht.de.