Köln. Viele soziale Organisationen wüssten gar nicht, wie sie ohne "Ehrenamtliche" ihren Betrieb aufrechterhalten sollten. Dabei sind "Ehrenamtliche" im Jargon der Branche nicht nur unentgeltlich tätige Mitglieder und andere Helfer, sondern auch Personen, die eine gemäß § 3 Nr. 26 EStG steuer- und sozialversicherungsfreie Vergütung von bis zu 2.100 € im Jahr erhalten.
Dabei wird oft verkannt, dass viele "Ehrenamtliche", die eine nach § 3 Nr. 26 EStG steuer- und sozialversicherungsfreie Vergütung erhalten, Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts sind. Die Folgen können gravierend sein.
"Übungsleiterpauschale"
Nach § 3 Nr. 26 EStG sind Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer, aus nebenberuflichen künstlerischen Tätigkeiten oder der nebenberuflichen Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen bis zu einem Gesamtbetrag von 2.100 € im Jahr steuerfrei. Die Steuerfreiheit zieht die Sozialversicherungsfreiheit nach sich (§ 14 Abs. 1 Satz 3 SGB IV). Nach den Lohnsteuerrichtlinien liegt keine Nebenberuflichkeit mehr vor, wenn die Tätigkeit mehr als ein Drittel der Normalarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers in Anspruch nimmt.
Arbeitnehmereigenschaft
Die Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit der gezahlten Vergütung ist für die Arbeitnehmereigenschaft der "Ehrenamtlichen" unerheblich. Entscheidend für den arbeitsrechtlichen Status ist, ob die "Ehrenamtlichen" bei ihrer Tätigkeit persönlich unabhängig oder abhängig sind. Hier ist die gleiche Abgrenzung vorzunehmen, wie zwischen sonstigen freien Mitarbeitern und Arbeitnehmern. Die Einsatzplanung über einen Dienstplan und die arbeitsteilige Zusammenarbeit der "Ehrenamtlichen" mit anderen Arbeitnehmern des Arbeitgebers ist ein starkes Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft der "Ehrenamtlichen".
Gravierende Folgen
Auf das Vertragsverhältnis mit "Ehrenamtlichen", die als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind, findet das normale Arbeitsrecht Anwendung. Solche "Arbeitnehmer-Ehrenamtlichen" haben Anspruch auf Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Kündigungen, Aufhebungsverträge und Befristungen des Vertragsverhältnisses bedürfen der Schriftform. Schließt der Arbeitgeber mit einem solchen "Ehrenamtlichen" später einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag ab, ist die Befristung wegen der Vorbeschäftigung unwirksam. Werden die "Arbeitnehmer-Ehrenamtlichen" schlechter bezahlt als vergleichbare Arbeitnehmer, können sie die Nachzahlung der Differenz verlangen, auch wenn dadurch der steuer- und sozialversicherungsfreie Freibetrag von 2.100 € überschritten wird. "Arbeitnehmer-Ehrenamtliche" zählen bei der Bestimmung der Betriebsratsgröße und der Ermittlung des Anspruchs auf vollständige Freistellung von Betriebsratsmitgliedern mit. Arbeitgeberseitige Kündigungen sind nur wirksam, wenn sie schriftlich erfolgen und der Betriebsrat vorher ordnungsgemäß angehört wurde. Bisher sind sich nicht nur die meisten Arbeitgeber, sondern auch die meisten "Arbeitnehmer-Ehrenamtlichen" und Betriebsräte der Problematik nicht bewusst. Dies kann sich aber schnell ändern. Bei einigen Mandanten sind die Betriebsräte bereits auf die Problematik aufmerksam geworden.