Kassel. In der Ausgabe 1/2006 des Non-Profit-Services berichteten wir über die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 01.09.2005, wonach ein Pflegeheimträger von der Pflegekasse unmittelbar die Zahlung des Pflegesatzes einer höheren Pflegeklasse verlangen kann, wenn der Hilfebedarf bei der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung die Zuordnung des Versicherten zu einer höheren Pflegestufe rechtfertigt.
Inzwischen hat das BSG diese Rechtsprechung nochmals ausdrücklich bestätigt, nachdem verschiedene erstinstanzliche Gerichte, wie das Sozialgericht (SG) Dortmund, entsprechende Zahlungsklagen abgewiesen hatten. Gleichzeitig hat das BSG in seiner Entscheidung vom 07.10.2010 die vom Landessozialgericht (LSG) NW aufgestellten vom Heimträger einzuhaltenden hohen formellen Anforderungen an den Zahlungsanspruch vor Klageerhebung bestätigt.
Der Sachverhalt in Kürze
Der Kläger betreibt ein Seniorenheim, in dem eine bei der beklagten Pflegekasse Versicherte bis zu ihrem Tod im Mai 2005 stationär versorgt wurde. Die Bewohnerin bezog seit April 1995 Pflegeleistungen der Pflegestufe I. Nach „formloser" Aufforderung durch das Heim beantragte die Bewohnerin im März 2005 die Pflegestufe II. Der Antrag wurde von der Beklagten abgelehnt. Die Klage der Bewohnerin gegen die Ablehnung nahm die Rechtsnachfolgerin der Bewohnerin nach deren Tod zurück. Noch vor der Rücknahme der Klage reichte der Heimträger Zahlungsklage beim SG Dortmund gegen die Pflegekasse ein mit dem Ziel, die Beklagte für den Zeitraum von März 2005 bis Mai 2006 zur Zahlung ihres Anteils an der höheren Vergütung bei Pflegeklasse II in Höhe von 256 € monatlich zu verurteilen.
Die Vorinstanzen
Klage und auch Berufung blieben ohne Erfolg. Das SG Dortmund hatte in seiner Entscheidung die Auffassung vertreten, für die Ansprüche im Verhältnis zwischen Heimträger und Pflegekasse sei allein die bestandskräftige Einstufung des Versicherten maßgebend; mit seiner anderweitigen Entscheidung habe sich das BSG, so das SG Dortmund, über die Wertentscheidung des Gesetzgebers hinweggesetzt und den Gestaltungsspielraum Recht sprechender Gewalt verlassen. Dagegen ist das LSG NW der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich gefolgt. Im Ergebnis lehnte auch das LSG NW den Zahlungsanspruch dennoch ab. In dem Fall des LSG NW war der Heimträger vor Erhebung der Klage weder den Weg nach § 84 Abs. 2 S. 3SGB XI gegangen, noch hat er die Bewohnerin nach § 87a Abs. 21 S. 1 und 2 SGB XI unter Wahrung der darin aufgestellten Anforderungen förmlich aufgefordert. Dies aber ist, so dass LSG NW, Voraussetzunge der Zahlungsklage.
Terminsbericht des BSG vom 07.10.2010
Auch wenn das BSG erneut die Möglichkeit der Zahlungsklage des Heimträgers dem Grunde nach bestätigt, bestätigt das BSG die Zurückweisung der Berufung. Einzuhalten seien die Bedingungen des § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB XI oder des § 87 a Abs. 2 SGB XI. Beide dienen dem Schutz der Pflegebedürftigen. Deshalb könne eine Zahlungsklage des Heimträgers nur erfolgreich geführt werden, wenn der Heimträger entweder das Verfahren nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB XI wähle oder den Heimbewohner vor Erhebung der Zahlungsklage nach § 87 a Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB XI und unter Wahrung der darin aufgestellten Anforderungen förmlich aufgefordert habe, bei seiner Pflegekasse die Zuordnung zu einer höheren Pflegestufe zu beantragen. Daran fehlte es in dem vom BSG zu entscheidenden Fall.
Jedem Heimträger kann daher nur empfohlen werden, bei der Durchführung des Verfahrens nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB XI und nach § 87 a Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB XI besondere Sorgfalt anzuwenden. Bei der Durchführung des Verfahrens nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB XI ist allerdings problematisch, dass sich hierfür niemand zuständig fühlt, weder die Pflegekasse noch der Medizinische Dienst. Demgegenüber ist der vom Gesetzgeber erst zum 01.01.2002 geschaffene § 87a Abs. 2 SGB XI inzwischen Standard geworden. Danach ist der pflegebedürftige Bewohner auf schriftliche Aufforderung des Heimträgers verpflichtet, bei seiner Pflegekasse die Zuordnung zu einer höheren Pflegestufe zu beantragen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Bewohner auf Grund der Entwicklung seines Zustands einer höheren Pflegestufe zuzuordnen ist. Die Aufforderung ist zu begründen und auch der Pflegekasse sowie bei Sozialhilfeempfängern dem zuständigen Träger der Sozialhilfe zuzuleiten. Dabei wird es zur Begründung der Aufforderung nicht ausreichen, pauschal auf die Pflegedokumentation zu verweisen. Vielmehr dürfte eine individuelle auf den Bewohner abgestimmte Begründung erforderlich sein. Einzelheiten zur Einhaltung der formellen Voraussetzungen bleibt das LSG NW in seiner Entscheidung schuldig. Abzuwarten bleibt, ob das BSG in seinen Urteilsgründen hierzu Ausführungen macht. Bisher liegt nur der Terminsbericht vor. Wir werden hierzu berichten.
Die Entscheidung: BSG, Urteil vom 01.09.2005 - B 3 P 4/04 R -, LSG NW, Urteil vom 25.03.2009 - L 10 P 27/08 sowie BSG, Terminsbericht vom 07.10.2010 - B 3 P 4/09 R -.