Ablauf der Umsetzungsfrist der Whistleblower-Richtlinie – Handlungsbedarf für Unternehmen Am 17. Dezember 2021 ist die Umsetzungsfrist der sogenannten Whistleblower-Richtlinie der europäischen Union abgelaufen. Diese Frist hat der deutsche Gesetzgeber verpasst. Inwiefern hier dennoch ein Handlungsbedarf für Unternehmer besteht, wird im nachfolgenden Beitrag erläutert.
Zielsetzung der Whistleblower-Richtlinie
Edward Snowden, Chelsea Manning und jüngst Frances Haugen sind bekannte Whistleblower*innen, die auf Grund ihrer Leaks mit Sanktionen und Repressalien rechnen mussten, bzw. auch tatsächlich erfahren haben. Dies zeigt: Whistleblower*innen haben es in unserer Gesellschaft nicht leicht. Auch in weniger berühmte Fälle, wie Gastronomiemitarbeiter*innen, die Verstöße gegen lebensmittelrechtlichen Vorschriften in ihrem Betrieb beobachten oder Buchhalter*innen, die fragwürdige Bewegungen auf dem Firmenkonto feststellt, bangen Whistleblower*innen um ihre Arbeitsplätze und existenzsichernden Gehälter. Die von Whistleblower*innen gegebenen Hinweisen leisten jedoch einen wichtigen Beitrag zur Aufdeckung und Ahndung von Missständen und Straftaten. Um dem Rechnung zu tragen, trat im Dezember 2019 die sogenannte Whistleblower-Richtlinie (EU-RL 2019/1937) der europäischen Union in Kraft. Diese Richtlinie regelt den Schutz natürlicher Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die internen oder externen Meldestellen weitergeben (hinweisgebende Personen). Sie verbietet jegliche Repressalien und Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Whistleblowern.
Aktueller Stand der Gesetzgebung in Deutschland?
Solche EU-Richtlinien gelten nicht unmittelbar. Die EU-Mitgliedsstaaten hatten bis zum 17. Dezember 2021 Zeit, die Whistleblower-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf hatte die ehemalige Bundesjustizministerin, Christine Lambrecht, im Dezember des vergangenen Jahres vorgelegt. Im Anschluss daran wurde dieser erste Entwurf jedoch seitens der Union gekippt. Im aktuellen Koalitionsvertrag zwischen SPD, FDP und Bündnis90/Die Grünen heißt es nun wie folgt: „Wir setzen die EU-Whistleblower-Richtlinie rechtssicher und praktikabel um. Whistleblower müssen nicht nur bei der Meldung von Verstößen gegen EU-Recht vor rechtlichen Nachteilen geschützt sein, sondern auch von erheblichen Verstößen gegen Vorschriften oder sonstigem erheblichen Fehlverhalten, dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen wegen Repressalien gegen den Schädiger wollen wir verbessern und prüfen dafür Beratungs- und finanziellen Unterstützungsangeboten.“ Es ist demnach davon auszugehen, dass der ursprüngliche Entwurf, eventuell in modifizierter Form, als mit eines der ersten Gesetzesvorhaben unserer neuen Regierung verabschiedet werden wird. Bis zum Inkrafttreten des nationalen Gesetzes kann damit gerechnet werden, dass die Gerichte zum Schutz von Whistleblowern auf die EU-Richtlinie zurückgreifen werden. Da die Vorschriften einer EU-Richtlinie im Fall der Nichtumsetzung in nationales Recht unter bestimmten Voraussetzungen auch unmittelbare Wirkung entfalten können. Da der deutsche Gesetzgeber bereits die Umsetzungsfrist verpasst hat, ist zusätzlich damit zu rechnen, dass den letztlich betroffenen Unternehmen mit mehr als 249 Mitarbeitern lediglich eine sehr kurze Umsetzungsfrist eingeräumt wird. Aus diesem Grund sollten Unternehmen nicht auf die Umsetzung in nationales Recht warten und bereits jetzt geeignete Kanäle und Verfahren zum Umgang mit Whistleblowern einführen.
Anforderung der Richtlinie und des zu erwartende Hinweisgeberschutzgesetzes an Unternehmen und deren Umsetzung
Nach der Whistleblower-Richtlinie sollen Unternehmen und Organisationen mit mehr als 49 Mitarbeitende verpflichtet werden, eine sogenannte interne Meldestelle einrichten. Dies kann über die Einführung eines sicheren Hinweisgebersystems erfolgen. Bei der Einführung eines solchen Hinweisgebersystems sind etwaige Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates zu wahren. Die interne Meldestelle muss so eingerichtet sein, dass eine Meldung mündlich, schriftlich und auch persönlich möglich ist. Zudem muss die interne Meldestelle dem Hinweisgeber innerhalb von 7 Tagen den Eingang der Meldung bestätigen und innerhalb von drei Monaten darüber informieren, welche Maßnahmen in Folge der Meldung ergriffen wurden. Für Unternehmen mit mehr als 49 und weniger als 250 Mitarbeitern gilt nach Maßgabe der Whistleblower-Richtlinie eine verlängerte Umsetzungsfrist bis zum 17. Dezember 2023.
Sanktionen
Ein Verstoß gegen die im Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes verankerten Pflichten wird als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld sanktioniert, das sich auf bis zu hunderttausend Euro belaufen kann. Als Verstoß wird geahndet: Wenn Meldungen bei der Meldestelle bzw. die Kommunikation mit dieser behindert werden, notwendiger Auskünfte an eine externe Meldestelle verweigert werden oder Whistleblower*innen aufgrund ihrer Meldungen benachteiligt werden. Zu beachten und wenig überzeugend ist, dass weder die Whistleblower-Richtlinie noch der Referentenentwurf ein Bußgeld für den Fall vorsehen, dass überhaupt keine interne Meldestelle eingerichtet wird. Es bleibt demnach abzuwarten, ob der deutsche Gesetzgeber den aktuellen Referentenentwurf dahingehend modifiziert und den Katalog der Ordnungswidrigkeiten entsprechend erweitert.