Das LAG Köln (Urteil v. 21.01.2025 – 7 SLa 204/24) musste sich in zweiter Instanz mit der Rechtmäßigkeit einer außerordentlichen und fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers beschäftigen, der, während er krankheitsbedingt und unter Vorweis einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsentscheidung seiner Arbeit fernblieb, mehrfach Karnevalsveranstaltungen aufsuchte und dies auf sozialen Medien teilte.
Der Kläger, der Arbeitnehmer eines Logistikunternehmens ist und dort über viele Jahre körperlich arbeitete, bekleidete zum gegenständlichen Zeitpunkt eine Stelle, in der an drei Tagen Bürotätigkeiten anfielen, die im Homeoffice erledigt wurden und an zwei Tagen körperliche Arbeiten.
Gegenständlich für den Beendigungswunsch des Beklagten sind zwei Situationen, in denen sich der Kläger jeweils für wenige Tage krankmeldete und entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorlegte und in beiden Fällen während der Laufzeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an Karnevalsveranstaltungen teilnahm und Bilder dazu auf sozialen Medien teilte. Einmal wurde eine Veranstaltung am letzten Abend des Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit besucht und einmal drei Tage vor Ende.
Nach Kenntnisnahme der Betriebsleitung des Beklagten wurde der Kläger angehört, äußerte sich jedoch nicht. Sodann wurde eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Tatkündigung ausgesprochen und sodann zusätzlich eine ordentliche Verdachtskündigung vorsorglich ausgesprochen.
Der Kläger, der sich gegen sämtliche ausgesprochene Kündigungen wendet, erklärte, er habe jeweils unter Atemwegsinfekten gelitten, die bei Besuch der Karnevalsveranstaltungen jeweils schon wieder abgeklungen seien. Tatsächlich fanden die Veranstaltungsbesuche jeweils zum Ende des Arbeitsunfähigkeitszeitraums statt. Der Kläger habe sich auf den Veranstaltungen jeweils zurückhaltend und vorsichtig verhalten und habe die Veranstaltungen jeweils wieder früher verlassen.
Der Beklagte trägt vor, dass durch die Veranstaltungsbesuche der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschüttert sei und die Erkrankung jeweils vorgetäuscht sei, denn wer einen Infekt habe, könne im Normalfall keine Veranstaltungen aufsuchen. Wer jedoch einen Infekt habe, der so geringe Symptome aufweist, dass Veranstaltungen aufgesucht werden können, der könne auch zur Arbeit erscheinen.
Der behandelnde Arzt bestätigte die Krankschreibung wegen Atemwegsinfekten und dass die Symptome bei Besuch der Veranstaltungen jeweils so weit abgeklungen waren, dass die Veranstaltungsbesuche aller Erwartung nach der Genesung nicht im Weg standen.
Das Landesarbeitsgericht stellte fest, dass sämtliche ausgesprochene Kündigungen das Arbeitsverhältnis nicht auflösen konnten. Von besonderem Interesse ist hier die Argumentation für die Unwirksamkeit der außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Tatkündigung:
Die außerordentliche Tatkündigung ist in Ermangelung eines wichtigen Grundes unwirksam, da der kündigende Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig hinsichtlich des wichtigen Grundes ist. Er muss mithin beweisen, dass die behauptete Erkrankung in Wahrheit nicht besteht. Dies gelang vorliegend nicht, da der Kläger durch eigene Aussagen und die Zeugenaussage des Arztes darlegen konnte, dass er tatsächlich erkrankt war und der Veranstaltungsbesuch dennoch nicht schädlich war.
Die Teilnahme an der Veranstaltung am letzten Tag der Krankschreibung kann den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung laut dem LAG Köln noch nicht erschüttern. Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich der zweiten Situation, wo die Veranstaltung zwar gegen Ende der Krankschreibung, aber eben noch während der Krankschreibung besucht wurde. Hier sah das LAG Köln den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als erschüttert an.
Dies führt jedoch noch nicht zu einer Verpflichtung des Klägers, seine Erkrankung zu beweisen, denn er begehrt in gegenständlichem Verfahren nicht Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, sondern lediglich Feststellung, dass die Kündigungen unwirksam sind. In diesem Fall bestand nur eine sekundäre Darlegungslast, der durch Entbindung des Arztes von der Schweigepflicht nachgekommen wurde. Aus den genannten Gründen hält das Gericht auch die hilfsweise ordentliche Tatkündigung für sozial nicht gerechtfertigt nach § 1 KSchG.
Dieses Urteil zeigt erneut das Wechselspiel der Darlegungs- und Beweislast in Fällen der vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit, hier jedoch im Falle der Kündigung. Zunächst ist festzustellen, dass dem Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich kündigungsrelevanter Sachverhalte obliegt. Dieser konnte er schon nur hinsichtlich des zweiten Veranstaltungsbesuchs gerecht werden, wo eine Veranstaltung noch während der Krankschreibung aufgesucht wurde. Bei einem Veranstaltungsbesuch in den letzten Momenten der Krankschreibung kann hingegen schon wieder davon ausgegangen sein, dass die Genesung weit genug fortgeschritten ist, wenn wenige Stunden später wieder gearbeitet werden soll.
Anders als in den Fällen des Streits um Entgeltfortzahlung muss der Kläger hier jedoch keinen kompletten Gegenbeweis antreten, sondern hier reicht es aus, dass er der sekundären Darlegungslast gerecht wird. Eine Aussage des behandelnden Arztes, aus der hervorgeht, dass die Veranstaltungsbesuche die Genesung nicht behinderten, die Erkrankung aber tatsächlich vorlag und auch Arbeitsunfähigkeit auslöste, ist hier völlig ausreichend.