Erfurt. Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 7 BUrlG konnte der Arbeitnehmer keinen finanziellen Ausgleich für nicht genommenen Urlaub (Urlaubsabgeltung) verlangen, wenn er zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und darüber hinaus bis zum Zeitpunkt des Anspruchsverfalls nach Ende des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt war. An dieser Rechtsprechung hält das Bundesarbeitsgericht nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 20.01.2009 in der Sache Schulz-Hoff nicht mehr fest.
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf fragte den Europäischen Gerichtshof in dieser Sache, ob die obige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Verfall des Urlaubsanspruchs gegen die Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG verstoße. Der Europäische Gerichtshof entschied, dass der Urlaub nicht nur für Zeiten erworben wird, in denen der Arbeitnehmer gearbeitet hat, sondern auch für Zeiten, in denen er ordnungsgemäß krankgeschrieben gewesen war. Falls der Urlaub nicht im Urlaubsjahr erteilt werde, sei er vom Arbeitgeber zu späterer Zeit nachzugewähren; der Urlaubsanspruch verfalle nicht. Der Vergütungsanspruch für noch offenen Urlaub bleibe auch dann erhalten, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Urlaubsjahres und darüber hinaus krankgeschrieben gewesen sei bzw. dieser Zustand fortdauere.
Das Bundesarbeitsgericht folgt dem in einer anderen Sache mit einem Urteil vom 24.03.2009. Hier war die Klägerin von August 2005 bis 31.01.2007 als Erzieherin für den beklagten Verein tätig. Sie erlitt im Juni 2006 einen Schlaganfall und war vom 02.06.2006 über das Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.01.2007 hinaus zumindest bis August 2007 durchgehend arbeitsunfähig. Das Bundesarbeitsgericht hat der Klage der Klägerin hinsichtlich der Abgeltung der gesetzlichen Urlaubsansprüche aus den Jahren 2005 und 2006 im Unterschied zu den Vorinstanzen stattgegeben. Ansprüche auf Abgeltung gesetzlichen Teil- oder Vollurlaubs erlöschen nicht, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist.
Arbeitgeber werden daher künftig genauer überlegen müssen, ob sie das Beschäftigungsverhältnis mit einem langfristig arbeitsunfähigen Arbeitnehmer fortführen oder nicht doch kündigen, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft ohne klare zeitliche Grenze Urlaubsansprüche aufbaut, die bei späterer Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten sind. Einschränkend gilt, dass dies nur für den gesetzlichen Mindesturlaub gilt. Darüber hinausgehende Urlaubsansprüche dürften weiterhin nach den bisherigen gesetzlichen Regelungen verfallen.
Die Entscheidung: BAG, Urteil vom 24.03.2009 - 9 AZR 983/07