Der Ausspruch einer fristlosen Kündigung erfolgt im Regelfall in der Kombination mit dem Ausspruch einer hilfsweisen ordentlichen Kündigung für den Fall, dass sich herausstellen sollte, dass die fristlose Kündigung nicht wirksam ist. In diesem Fall ist es dem Arbeitgeber möglich, dem Arbeitnehmer Urlaub vorsorglich für den Fall zu gewähren, dass die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst. In einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.08.2020, 9 AZR 612/19 hat das Bundesarbeitsgericht dargelegt, unter welchen Voraussetzungen dies möglich ist und was dabei zu beachten gilt.
In dem konkreten Fall hatte der Arbeitgeber im Kündigungsschreiben folgende Erklärungen aufgenommen:
"Für den Fall der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung gelte ich Ihren bis zum Kündigungszeitpunkt nicht genommenen Urlaub ab. Für den Fall der nicht anzunehmenden Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung habe ich Ihnen hilfsweise ordentlich gekündigt. In diesem Fall gilt folgendes: Sie werden Ihren sämtlichen noch nicht genommenen Urlaub direkt im Anschluss an den Zeitpunkt des Zugangs dieser Kündigung in der Zeit vom 19.09.2017 bis 11.10.2017 nehmen. Die gezahlte Abgeltung ist dann als Zahlung des Urlaubsentgelts für den betreffenden Zeitraum zu verstehen. In jedem Fall sage ich Ihnen für die Zeit Ihres Urlaubs die Urlaubsvergütung vorbehaltlos zu."
In einem von dem Arbeitnehmer angestrengten Kündigungsschutzverfahren einigten sich die Parteien auf eine fristgerechte Kündigung und eine ordnungsgemäße Abrechnung des Arbeitsverhältnisses. Die bereits vom Arbeitgeber geleistete Urlaubsabgeltung wurde in dieser Abrechnung als bereits geleistetes Urlaubsentgelt behandelt. Dagegen wehrte sich der Arbeitnehmer. Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitgeber Recht.
Grundsätzlich kann ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Urlaub vorsorglich für den Fall gewähren, dass die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst, wenn er den Arbeitnehmer unmissverständlich und endgültig zur Erfüllung des Anspruches auf Erholungsurlaub von der Arbeitspflicht befreit und das Urlaubsentgelt entweder vor Antritt des Urlaubs zahlt oder dessen Zahlung vorbehaltlos zusagt. Dies setzt voraus, dass für den Freistellungszeitraum eine Arbeitspflicht des Mitarbeiters besteht. Aufgrund des in diesem Verfahren geschlossenen Vergleichs stand die Arbeitspflicht für diesen Zeitraum fest. Nicht notwendig ist, dass bereits bei Urlaubsantritt eine abschließende Gewissheit über die Arbeitspflicht des Mitarbeiters besteht. Der Arbeitnehmer muss nur Gewissheit haben, dass er während eines bestimmten Zeitraums nicht zur Arbeit herangezogen wird und sich deshalb nicht zur Erbringung einer Arbeitsleistung bereithalten muss.
Der Arbeitnehmer wandte in dem Verfahren ein, dass seine Mitwirkungspflichten gegenüber der Agentur für Arbeit ihn daran hinderten, den Urlaub nehmen zu können. Diesem Argument erteilte das Bundesarbeitsgericht eine klare Absage. Zwar sei es richtig, dass der Arbeitnehmer verpflichtet sei, sich persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden. Darüber hinaus müsse er sicherstellen, dass er für die Agentur für Arbeit an jedem Werktag an seinem Wohnort durch Briefpost erreichbar sei. Diese Umstände fielen allerdings in den persönlichen Lebensbereich des Arbeitnehmers und stünden daher die Erfüllung des Urlaubsanspruches nicht entgegen. Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub selbst habe ausschließlich die Freistellung von der Arbeitspflicht und die Zahlung des Urlaubsentgelts zum Gegenstand. Einen darüber hinausgehenden "Urlaubserfolg" schulde der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aber nicht. Umgekehrt bestehe für den Arbeitnehmer während seines Urlaubs auch keine "Pflicht zur Erholung".
Letztendlich führte das Bundesarbeitsgericht aus, dass sich auch aus dem geschlossenen Vergleich, in dem eine ordnungsgemäße Abrechnung vereinbart war, kein eigenständiger Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ergeben hatte. Die Verwendung des Wortes "ordnungsgemäß" solle die vorzunehmende Abrechnung näher beschreiben. Sie ziele daher auf eine Berechnung nach den außerhalb des Vergleichs aufzufindenden, von ihm unabhängig anzuwendenden Rechtsnormen. Ein Anerkenntnis einer Zahlungspflicht liege jedenfalls dann nicht vor, wenn die Ansprüche, auf die sich die Abrechnungspflicht beziehen soll, nicht benannt sind.