Sekretariat
Sevim Bayrak
In den letzten Wochen wurde zur Eindämmung des Infektionsgeschehens rund um die Corona-Pandemie vermehrt die Pflicht zum Homeoffice diskutiert und auch von vielen Seiten gefordert. Dies zum Anlass nehmend, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Corona-Arbeitsschutzverordnung erlassen, die seit heute bis zum 15.03.2021 gilt. Doch was genau ist der Inhalt dieser Verordnung? Muss der Arbeitgeber die Arbeit im Homeoffice ermöglichen? Darf der Arbeitnehmer nun nicht mehr aus dem Büro arbeiten? Für wen genau gilt eine „Pflicht zum Homeoffice“? Welche Vorkehrungen zum Schutz einer Infektion sind nach dieser Verordnung zu treffen? Über diese Fragen soll im nachfolgenden Aufschluss gegeben werden.
Pflicht zum Angebot des Homeoffice
Gemäß § 2 Abs. 4 der Verordnung sind Arbeitgeber seit heute dazu verpflichtet, ihren Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeit in ihrer Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betrieblichen Gründe entgegenstehen.
Welche Gründe dem Angebot der Tätigkeit aus dem Homeoffice entgegenstehen können, lässt die Verordnung offen. Auch die Gesetzesbegründung liefert hierüber weniger Aufschluss. U.a. dürfte die Art der Tätigkeit ihrer Ausübung aus dem Homeoffice entgegenstehen. Dies wäre z.B. dann der Fall, wenn physische Post geöffnet werden muss oder Waren vor Ort angenommen und/oder erfasst werden müssen. Für eine solche Tätigkeit ist die Anwesenheit im Betrieb zwingend erforderlich. Auch datenschutzrechtliche Vorgaben können der Tätigkeit im Homeoffice entgegenstehen. Entweder weil der Mitarbeiter mit der Bearbeitung hochsensibler Daten betraut ist, die den Betrieb nicht verlassen dürfen oder aber weil er auch die Datensicherheit anderer sensibler Daten (personenbezogene Daten) in der eigenen Wohnung nicht gewährleisten kann, da die Daten nicht ausreichend vor dem Zugriff Dritter (Familienmitglieder, Mitbewohner) geschützt werden können.
Wichtig ist, sollte das Angebot der Tätigkeit im Homeoffice aus zwingenden betrieblichen Gründen nicht unterbreitet werden können, sind die entgegenstehenden Gründe zu dokumentieren, da diese Gründe auf Verlangen der zuständigen Behörde dargelegt werden müssen (vgl. § 22 Abs. 1 ArbSchG).
Eine Verpflichtung der Beschäftigten zur Ausübung ihrer Tätigkeit aus dem Homeoffice enthält die Verordnung nicht. Diese sind frei, das vom Arbeitgeber unterbreitete Angebot abzulehnen.
Durchsetzbarer Anspruch auf Homeoffice?
Auch wenn die Verordnung den Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, seinen Beschäftigten die Arbeit aus dem Homeoffice anzubieten, ist hierin kein subjektives Klagerecht der Beschäftigten verankert, wenn der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nachkommt. In diesem Fall bleibt den Beschäftigten lediglich die Möglichkeit, sich an die zuständigen Aufsichtsbehörden zu wenden. Diese können im Falle eines Verstoßes Bußgelder von bis zu 30.000,00 € verhängen. Es ist jedoch fraglich, ob Beschäftigte diesen Weg im laufenden Arbeitsverhältnis bestreiten wollen und ebenso, ob die Kapazitäten der Aufsichtsbehörden ausreichen, um die Einhaltung der Verordnung nachhaltig zu kontrollieren – jedenfalls ist nicht damit zu rechnen, dass eine mögliche Anordnung der Aufsichtsbehörden zur Durchführung der Tätigkeit aus dem Homeoffice vor Außerkrafttreten der Verordnung (15.03.2021) wirksam durchgesetzt werden konnte.
Weitere Regelungen
Darüber hinaus regelt die Verordnung folgende Punkte:
Arbeitgeber müssen ihre Gefährdungsbeurteilung im Sinne der §§ 5 und 6 Arbeitsschutzgesetz hinsichtlich zusätzlich erforderlicher Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes überprüfen und aktualisieren. Diese Gefährdungsbeurteilung ist zu dokumentieren.
Betriebsbedingte Zusammenkünfte mehrerer Personen sind auf ein Minimum zu reduzieren und nach Möglichkeit durch die Verwendung von Informationstechnologie zu ersetzen.
Müssen Räume von mehreren Personen gleichzeitig genutzt werden, müssen pro Person 10 m² zur Verfügung stehen – jedenfalls soweit die auszuführenden Tätigkeiten dies zulassen.
In Betrieben ab 10 Beschäftigten sollen – soweit dies möglich ist – kleine, feste Arbeitsgruppen gebildet werden, die möglichst zeitversetzt arbeiten.
Für die Tätigkeit im Betrieb müssen Arbeitgeber medizinische Gesichtsmasken oder FFP2-Masken zur Verfügung stellen, wenn die Anforderungen an Räume und/oder den einzuhaltenden Abstand nicht eingehalten werden können.
Fazit
Die in der Verordnung verankerte „Homeoffice-Pflicht“ ist letztlich nicht das, was sich viele erhofft haben. Arbeitgeber, die sich verantwortungsbewusst mit dem Infektionsgeschehen auseinandersetzen, haben bereits vor Erlass der Verordnung Maßnahmen ergriffen, die einen ausreichenden Infektionsschutz ihrer Beschäftigten sicherstellen ohne die betrieblichen Abläufe zum Erliegen zu bringen. Hierzu wurde auch das Mittel des Homeoffice verstärkt genutzt. Arbeitgeber, die eine Tätigkeit aus dem Homeoffice nicht wünschen, werden sich im Zweifel auch von dieser Verordnung nicht dazu verpflichtet sehen, sondern Gründe finden, weshalb die Tätigkeit aus dem Homeoffice nicht möglich ist. Dass die Aufsichtsbehörden Kapazitäten haben, die Betriebe engmaschig auf die Einhaltung der Verordnung zu kontrollieren, ist nicht anzunehmen. Letztlich bleibt nur zu hoffen, dass ein kleiner unentschlossener Teil die Verordnung zum Anlass nimmt, noch einmal verstärkt zu überprüfen, an welchen Stellen das Infektionsrisiko im eigenen Betrieb durch noch mögliche Kontaktreduzierungen minimiert werden kann.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit die in der Verordnung verankerte „Homeoffice-Pflicht“ das Bundesministerium für Arbeit und Soziales seinem Ziel, ein Recht auf Homeoffice gesetzlich zu manifestieren, ein Stück näher bringt.