Der 9. Senat des BAG hat Ende des vergangenen Jahres in einer vielbeachteten Entscheidung für viele Beobachter überraschend entscheiden, dass auch Crowdworker im Einzelfall Arbeitnehmer sein können (Urt. v. 1. Dezember 2020 – 9 AZR 102/20, NZA 2021, 552). Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem der beklagte Plattformanbieter (Crowdsourcer) im Auftrag seiner Kunden die Präsentation von Markenprodukten im Einzelhandel und an Tankstellen kontrollierte und diese Kontrolltätigkeiten von Crowdworkern ausführen ließ. Hierfür stellte er die jeweiligen Kleinstjobs auf seine Plattform; Crowdworker – wie der Kläger – konnten sie dann auf Grundlage der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie einer „Basis-Vereinbarung“ über ihren persönlichen Account annehmen und ausführen, ohne hierzu vertraglich verpflichtet zu sein. Übernahm einer der auf der Plattform angemeldeten Crowdworker indes freiwillig einen der Aufträge, musste er ihn nach dezidierten Vorgaben des Plattformbetreibers innerhalb von zwei Stunden ausführen. Das Arbeitsergebnis wurde anschließend nach bestimmten Kriterien bewertet, zudem wurden bei erfolgreich durchgeführtem Auftrag Erfahrungspunkte gutgeschrieben, die dem Crowdworker auf Dauer den Aufstieg in ein neues „Erfahrungslevel“ ermöglichten, auf dem er mehrere Aufträge gleichzeitig annehmen und so durch Bündelung der Aufträge einen höheren Stundenlohn erzielen konnte.
Der 9. Senat des BAG hat Ende des vergangenen Jahres in einer vielbeachteten Entscheidung für viele Beobachter überraschend entscheiden, dass auch Crowdworker im Einzelfall Arbeitnehmer sein können (Urt. v. 1. Dezember 2020 – 9 AZR 102/20, NZA 2021, 552). Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem der beklagte Plattformanbieter (Crowdsourcer) im Auftrag seiner Kunden die Präsentation von Markenprodukten im Einzelhandel und an Tankstellen kontrollierte und diese Kontrolltätigkeiten von Crowdworkern ausführen ließ. Hierfür stellte er die jeweiligen Kleinstjobs auf seine Plattform; Crowdworker – wie der Kläger – konnten sie dann auf Grundlage der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie einer „Basis-Vereinbarung“ über ihren persönlichen Account annehmen und ausführen, ohne hierzu vertraglich verpflichtet zu sein. Übernahm einer der auf der Plattform angemeldeten Crowdworker indes freiwillig einen der Aufträge, musste er ihn nach dezidierten Vorgaben des Plattformbetreibers innerhalb von zwei Stunden ausführen. Das Arbeitsergebnis wurde anschließend nach bestimmten Kriterien bewertet, zudem wurden bei erfolgreich durchgeführtem Auftrag Erfahrungspunkte gutgeschrieben, die dem Crowdworker auf Dauer den Aufstieg in ein neues „Erfahrungslevel“ ermöglichten, auf dem er mehrere Aufträge gleichzeitig annehmen und so durch Bündelung der Aufträge einen höheren Stundenlohn erzielen konnte.
Der klagende Crowdworker nahm innerhalb von elf Monaten 2.978 Aufträge für den Plattformanbieter wahr. Er erledigte die Aufträge selbst, obwohl er auch eigene Mitarbeiter nach den Vertragsbedingungen hätte einsetzen können und sogar weitere Unteraufträge hätte erteilen dürfen. Er arbeitete so ca. 20 Stunden wöchentlich für rund 1.750 € monatlich. Nachdem es zu Unstimmigkeiten gekommen war, kündigte der Plattformanbieter das Vertragsverhältnis. Hiergegen erhob der Crowdworker zunächst Klage auf Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht; später – nach hilfsweiser Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Plattformbetreiber – erhob er Kündigungsschutzklage.
Die Besonderheit, die das BAG dazu bewog, hierin ein Arbeitsverhältnis zu erblicken, lag nach den Urteilserwägungen darin, dass das vom Plattformanbieter vorgesehene Anreizsystem dazu führe, dass der Crowdworker kontinuierlich immer wieder Aufträge annehme (um einen höheren Stundenlohn zu erreichen) und im Ergebnis eben doch weisungsgebunden und fremdbestimmt sei. Die Organisationsstruktur der Plattform lasse insoweit die an sich selbständige Entscheidung des Crowdworkers über die Annahme von Aufträgen in den Hintergrund treten. Damit komme es zu einer – nach § 611a Abs. 1 S. 5 BGB allein maßgeblichen – tatsächlichen Vertragsdurchführung, die einem Arbeitsverhältnis entspreche.
Damit reiht sich das Urteil in den schon lange Zeit schwelenden Streit um das Thema Crowdworking ein und setzt dort einen vorläufigen Schlusspunkt, fügt sich aber auch nahtlos in die auf einer höheren Abstraktionsebene geführte Diskussion um die Definition des Arbeitnehmerbegriffs ein. Zum Hintergrund: Nach dem klassischen, vom BAG selbst begründeten Arbeitnehmerbegriff, der mittlerweile in § 611a Abs. 1 BGB überführt wurde, ist für die Arbeitnehmereigenschaft der Grad der persönlichen Abhängigkeit zentral, der wiederum anhand der Hilfsindizien der zeitlichen, örtlichen und inhaltlichen Weisungsgebundenheit sowie Fremdbestimmung ermittelt werden muss und sich nur im Wege einer typologischen Gesamtbetrachtung aller Umstände offenbart. Doch zu welchem Ergebnis gelangt eben diese typologische Gesamtbetrachtung bei neuen Beschäftigungsformen?
Besonders umstritten ist die Beantwortung dieser Frage bei sog. Plattformarbeit, wie sie dem vorliegenden Fall zu Grunde liegt. Das Problem: Crowdworker können regelmäßig selbst entscheiden, ob und in welcher Anzahl sie Aufträge annehmen – ein starkes Argument für deren Selbständigkeit. Daher lehnen verschiedene Instanzgerichte und gewichtigen Stimmen des Schrifttums eine Arbeitnehmereigenschaft von Crowdworkern für den Regelfall ab. Weil in der Folge aber viele Arbeitnehmerschutzvorschriften wie etwa solche des Kündigungsschutzes, des Urlaubsrechts, der Entgeltfortzahlung oder der Mitbestimmung nicht greifen, wird zuweilen der Versuch unternommen, Crowdworker zumindest als arbeitnehmerähnliche Personen einzustufen – bislang mit nur mäßigem Erfolg. Gerade deshalb bringt die Entscheidung des BAG ein wenig Licht ins Dunkel und spricht auch Crowdworkern unter den genannten Voraussetzungen den Arbeitnehmerstatus zu. Gleichwohl stellen sich zahlreiche Folgefragen.
Weil es die erste Entscheidung der Erfurter Richter zum Thema Crowdworking ist, lässt sich die Übertragbarkeit des Urteils auf andere Konstellationen indes nur eingeschränkt beurteilen. Da es aber in der Praxis eine Vielzahl unterschiedlicher Crowdworking-Konstellationen gibt und die Geschäftsmodelle innerhalb der Plattformökonomie stark variieren, ist jeder Einzelfall weiterhin sorgfältig zu wägen. Jedenfalls für Konstellationen, in denen die Plattform ein starkes Anreizsystem für die (wiederkehrende, weil damit finanziell attraktivere) Annahme einer stetig hohen Anzahl von Kleinstaufträgen implementiert und den Crowdworkern überaus kleinschrittige Vorgaben macht (was nicht selten der Fall sein dürfte), besteht die Gefahr, dass es zum Entstehen eines Arbeitsverhältnisses kommt. Damit hat das BAG zwar keineswegs das Ende der Crowdwork in Deutschland eingeläutet; es zwingt aber gleichwohl Plattformbetreiber dazu, ihre Geschäftsmodelle anzupassen.
Doch auch auf politischer Ebene ist man nicht untätig geblieben. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat Ende November 2020 – kurz vor der Entscheidung des BAG – ein Eckpunkte-Papier veröffentlicht, das gewisse Schutzmechanismen (etwa zur gesetzlichen Rentenversicherung oder zu Kündigungsfristen) für Crowdworker in Aussicht stellt, ohne sie jedoch also Arbeitnehmer zu qualifizieren oder einen konkreten Gesetzentwurf vorzulegen (abrufbar unter https://www.bmas.de/DE/Service/Presse/Pressemitteilungen/2020/eckpunkte-plattformoekonomie.html). Es bleibt abzuwarten, ob die darin enthaltenen Gedanken in der neuen Legislaturperiode Beachtung finden.
Zum Schluss sei noch erwähnt, dass die Revision für den klagenden Crowdworker selbst nur ein Teilerfolg war, weil das LAG München nun wiederum über die ebenfalls eingeklagte Vergütung befinden muss, da diese nach § 612 Abs. 2 BGB zu bemessen sei, so das BAG. Denn stelle sich im Nachhinein heraus, dass das – hier vorsorglich ebenfalls gekündigte – Vertragsverhältnis ein Arbeitsverhältnis sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass die für den vermeintlich freien Mitarbeiter vereinbarte Vergütung auch hierfür gelte. Insoweit sind also entsprechende Feststellungen durch das LAG München zu treffen.