Auch in Zeiten der Pandemie muss die betriebliche Interessenwahrnehmung durch den Betriebsrat möglich sein. Dabei findet die kollektive Willensbildung insbesondere im Rahmen der Sitzungen des Gremiums statt. In Anbetracht (erneut) steigender Infektionszahlen kann die Betriebsratssitzung „vor Ort“ allerdings einigen gesundheitlichen und rechtlichen Bedenken begegnen. Es liegt deshalb auf der Hand, dass Unternehmen besondere Vorsicht walten lassen wollen. Kann der Arbeitgeber deshalb auch dem Konzernbetriebsrat einseitig verbieten, eine Betriebsratssitzung als Präsenzveranstaltung abzuhalten? Das Arbeitsgericht Berlin (Beschluss v. 07.10.2020 – 7 BVGa 12816/20) hat diese Frage – zumindest im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – mit einem Nein beantwortet.
Die Arbeitgeberin, ein Unternehmen, das deutschlandweit Rehabilitationskliniken betreibt, hat entsprechend den Angaben der Pressemitteilung des Gerichts gegenüber sämtlichen Beschäftigten einstweilen einrichtungsübergreifende dienstliche Treffen und Zusammenkünfte untersagt und sich auf dieses Verbot auch betreffend eine geplante mehrtägige Präsenzsitzung des Konzernbetriebsrates mit erforderlicher Anreise der Betriebsratsmitglieder berufen. Die Arbeitgeberin hielt eine solche Präsenzsitzung im Hinblick auf die derzeitige COVID-19-Pandemie für nicht vertretbar. Der Konzernbetriebsrat hat sich gegen die Untersagung gewandt und geltend gemacht, alle geltenden gesetzlichen Maßgaben zum Infektionsschutz würden eingehalten.
Voranzustellen ist vorliegend, dass in dem vom ArbG Berlin entschiedenen Fall entsprechend der am Veranstaltungsort zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung die Durchführung der Sitzung zulässig war, wobei die Beachtung und Einhaltung der Verordnung in erster Linie im Verantwortungsbereich des Konzernbetriebsrates selbst und seiner Vorsitzenden liegt. Entscheidungserheblich war mithin allein, ob der Arbeitgeber einseitig – unabhängig von öffentlich-rechtlichen Vorschriften – die Sitzungsabhaltung vor Ort untersagen durfte. Das ArbG Berlin entschied diesbezüglich, dass nach den Bestimmungen des BetrVG allein dem Betriebsratsvorsitzenden die Entscheidung über Einberufung der Sitzung, Sitzungsort und Sitzungsformat obliege (vgl. § 29 Abs. 1 BetrVG). Dem Arbeitgeber stehe in diesem Zusammenhang keine eigene Gestaltungsmacht zu. Auch der im Zuge der Pandemie neu eingefügte § 129 Abs. 1 BetrVG, wonach Sitzungen und Beschlussfassungen auch mittels Video- oder Telefonkonferenz abgehalten bzw. erfolgen können, ändert nach Auffassung des ArbG Berlin an diesem Ergebnis nichts. Das ist auch richtig: § 129 BetrVG gibt dem Betriebsrat neben der Präsenzveranstaltung neue Kommunikationsmedien an die Hand, ohne dabei den Betriebsrat auf diese zu beschränken oder Präsenzveranstaltungen gänzlich abzuschaffen. Ob der Betriebsrat diese nutzen möchte, obliegt allein dem Willen des Gremiums. Da im vor dem ArbG Berlin entschiedenen Fall eine geheime Wahl in Rede stand, entschied sich der Konzernbetriebsrat in zulässiger Art und Weise für eine Präsenzsitzung. Kurzgefasst: Ob der Betriebsrat in Zeiten der Pandemie Sitzung als Präsenzveranstaltung oder im Wege digitaler Kommunikationsmittel abhält, obliegt allein der Entscheidung des Gremiums. Der Arbeitgeber hat hierbei kein Mitspracherecht, solange öffentlich-rechtliche Vorschriften einer Sitzung „vor Ort“ nicht entgegenstehen.